Maryline Monnerat, Dokumentalistin
Die ausgebildete Lehrerin Maryline Monnerat orientierte sich schon bald neu und besuchte den Lehrgang in Informations- und Dokumentationswissenschaft an der Universität und an der Haute école de gestion in Genf. Seit 2011 arbeitet sie im Departement Film der Cinémathèque suisse als Dokumentalistin. Während ihres Studiums bot sich ihr die Gelegenheit, für das Internationale Olympische Komitee tätig zu sein. Dort blieb sie zwei Jahre. Der Zufall wollte es, dass sie sich danach in der Cinémathèque um den gigantischen Fonds kümmerte, den das IOK ab 2010 zu hinterlegen begann und der wahre Schätze umfasst, beispielsweise Leni Riefenstahls Aufnahmen der Olympischen Spiele 1936 oder Visions of Eight, einen Episodenfilm, den Claude Lelouch, Arthur Penn, Miloš Forman und John Schlesinger 1972 in München realisierten.
Vor der Archivierung dokumentieren Maryline und ihre Kollegen die von Privatpersonen, Verleihern, Produzentinnen oder Regisseuren hinterlegten Filme in zwei Schritten, wobei sie systematisch vorgehen. In einem ersten Schritt beschreiben sie den physischen Zustand des Materials. Handelt es sich um Zelluloidfilm, kontrollieren sie die Perforationen und Klebestellen, prüfen das Material auf Anzeichen von Schimmel und Essigsyndrom und weisen auf ein mögliches Schrumpfen des Filmmaterials hin. Bei starken Schäden holen sie ein Gutachten der Konservatoren-Restauratorinnen ein. Anschliessend beschreiben sie den Inhalt; sie verfassen Synopsen und notieren technische Informationen wie Länge oder Dauer, Farbe oder Schwarz-Weiss, Film- und Bildformat und ob der Ton magnetisch oder optisch ist.
Die Archivierung der von Cinéforom und vom Bundesamt für Kultur (BAK) unterstützten Schweizer Filme beansprucht einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit. Die Filme gelangen als Digitaldateien in die Cinémathèque suisse. Maryline muss sie – wie den Zelluloidfilm – testen, dokumentieren und indexieren. 2017 wurden nicht weniger als 69 Nachlässe, 2700 Schachteln und 18 digitale Eingänge registriert. Trotz dieser Fülle von zu bearbeitenden Bildern schätzt sie den Film und könnte die Filme ihrer Lieblingsregisseure Woody Allen, Ernst Lubitsch, Jim Jarmusch, Ken Loach und David Lynch unendlich oft sehen. Manchmal erlebt sie bei ihrer Arbeit freudige Überraschungen: Bei der Bearbeitung der Filmarchive des Rassemblement jurassien, einer Bewegung, die sich für die Unabhängigkeit und Gründung des Kantons Jura einsetzte, erkannte sie auf den Bildern, die zwischen 1950 und 1980 in ihrer Heimatstadt Delsberg aufgenommen worden waren, mehrere Mitglieder ihrer Familie.
Ihrer Ansicht nach sollte in der Ausbildung zur Dokumentalistin dem audiovisuellen Bereich und der Digitalisierung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bis jetzt lag der Schwerpunkt eher auf dem Betrieb von Bibliotheken und Dokumentationszentren. Die Regeln zur Katalogisierung und Indexierung von schriftlichen Dokumenten existieren schon lange, während jene für die Filme neueren Datums sind und nun dank den Bemühungen, die die Internationale Vereinigung der Filmarchive (FIAF) seit den 1930er-Jahren unternimmt, nach und nach umgesetzt werden.
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