Christine Tourn, Archivarin
Christine Tourn besitzt ein Diplom der Fakultät für Geisteswissenschaften mit Schwerpunkt Schweizer Geschichte des 16. Jahrhunderts. Nach Abschluss ihres Studiums absolvierte sie eine Weiterbildung in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft (MAS ALIS) und arbeitete gleichzeitig im Departement Manuskripte und Privatarchive der Bibliothek Genf. Vor drei Jahren stiess sie zur Cinémathèque suisse und betrat im Bereich Privatnachlässe und institutionelle Archive ein Gebiet, das weit entfernt von dem lag, womit sie sich bis anhin beschäftigt hatte.
Die rund 180 Hinterlegungen in ihrem Bereich umfassen die Papierarchive der Institution seit der Gründung des Schweizerischen Filmarchivs 1943 in Basel wie auch jene von Regisseuren, Produzentinnen, Verleihern und Berufsverbänden der Schweizer Filmbranche – vom Fonds Jacqueline Veuve über die Unterlagen des Labors Cinégram, das sich mit den ersten Filmwochenschauen befasste, bis hin zu den Archiven der Solothurner Filmtage und den beiden Hinterlegungen aus dem Ausland: den Nachlässen Claude Autant-Lara und Douglas Sirk. Seit zwei Jahren kümmert sich Christine mit viel Ausdauer um Alain Tanners Archiv, bestehend aus Drehbüchern, Recherchematerial, Verträgen, Korrespondenz sowie Unterlagen zu seiner politischen Aktivität und zur Administration der Groupe 5, der Mitte der 1960er-Jahre in der Westschweiz gegründeten neuen Welle.
Christine interessiert sich nicht nur für die Beschaffung, Beschreibung und Verpackung der Dokumente, sondern auch für ihren jeweiligen Weg, von deren Eingang bis zur Analyse durch den Forscher oder die Forscherin. Vor der Übernahme eines Archivs entscheidet sie, ob es als Ganzes aufgenommen wird oder ob man sich auf eine Auswahl repräsentativer Elemente beschränken soll. Dieses in der Archivkunde häufig gewählte Vorgehen ist bei Filmarchiven manchmal schwer umsetzbar. «Lange war das Beschaffungsmanagement wenig professionell, die Aufmerksamkeit galt eher der Rettung und Ansammlung von Werken, und jedes Filmarchiv baute seine Bestände gemäss unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorstellungen auf». Dabei galt jedoch immer der Grundsatz der Respektierung des Fonds und seiner ursprünglichen Struktur, ungeachtet der Archivierungspolitik. Und «wenn Alain Tanner entscheidet, seine Korrespondenz chronologisch zu ordnen, werden wir sie nicht plötzlich alphabetisch archivieren».
Die öffentliche Erschliessung der Bestände ist, wie bei Bibliotheken, eines der wichtigsten Ziele eines Archivs. Christine und ihre Kollegen empfangen jede Woche Besucherinnen und Besucher im Lesesaal und führen sie in Caspar ein, das Online-Archivierungsinstrument der Cinémathèque suisse für Papierarchive, das Christine von A bis Z betreut hat. Zusätzlich zu ihren täglichen Aufgaben wirkt sie punktuell bei Projekten mit, beispielsweise in der Arbeitsgruppe zu den gemischten Fonds, die sich um die Kohärenz der Papierarchive und dem Filmmaterial im weitesten Sinn bemüht, oder beim Gestaltungsplan für Penthaz, in dessen Rahmen sie die Plakate auswählte, die der Künstler Hans Erni für die Einweihung der Cinémathèque suisse in Lausanne im Jahr 1950 gezeichnet hatte.
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